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Aus dem Rumänischen von

Gerhardt Csejka

Edith Konradt

 Horst Fassel

 

Georg Scherg

Dieter Schlesak

 

 

***

  Aus dem Rumänischen von Gerhardt Csejka

   aus  PUTERE ABSOLUTA (ABSOLUTE GEWALT) - Ged., Verl. Marineasa, Temeswar, 1999

 

TIMISOARA, TIMISOARA

 

 

einhundertfünfzig Mark (DM, klar, was sonst?) und keinen Pfennig drüber

denn er ist alt und defekt und wer weiß was das Reparieren kostet (Fahrt nach Budapest inklusive)) ich hoffe

du siehst ein, das ich ihn nur kaufe um dir aus ärgster Not zu helfen und weil ich das Risiko liebe - komm

schlag ein – diese Geschichte, in der ein professioneller Fotoreporter

von einem Gelegenheitshändler einen professionellen Fotoapparat in tadellosem Zustand für weniger als 3 Komma 5

                                                                                                                         Prozent

seines Wertes ersteht habe ich selbst mitangesehen durch das schlecht gestopfte Loch in der Flagge Rumäniens

nach’ 89 – ich finde es traurig dass sie sich just in Rumänien zutrug und

ausgerechnet in Timisoara wo sie sich doch überall sonst hätte abspielen können

 

der Zufall der liebe gute gottverdammte wollte es auch dass Timisoara

zum Schauplatz eines anderen Gesprächs wurde zwischen geneppten Romani und Rumänen

Die ausgezogen waren ihre Ruhe sonst wo zu finden, und Ungarn und Serben und Kroaten und Tschechen und

                                                                                                                            Deutschen und Juden

allesamt sehr wohl wissend wie gefährlich es war Geld aus dem Tasche dem Portemonnaie oder gar aus dem Land

                                                                                                                            herauszuholen

ganz zu schweigen vom legalen Besitz harter Währung

die das wachsame Auge des Grenzers sicher längst entdeckt hat

im Reserverad des klapprigen Reisebusses in den verängstigten

Augen des Fahrers der zerstreuten Miene des Reiseführers

der es eilig hat seinen Bericht an den Zollamtschef abzuliefern

 

allerdings wäre es ungerecht und weit unter unseren Stand und unseren Möglichkeiten

wollten wir dies alles für reell und wahr und unabänderlich nehmen

gerade jetzt wo alles zum Wechseln ist

mehr noch als Briefmarken, Geld, Hemden, Sitten und Gebräuche, Worte politischer Standpunkt

Verwaltungseinheit, Weltgegend, Geschlecht, Religion, Moral und vor

allem

                                 Dezember 1995,

                 Aus dem Rumänischen von Gerhardt Csejka

   

***

  Aus dem Rumänischen von Edith Konradt

   aus  OCHIUL BOULUI   - Ged., Verl. Marineasa, Temeswar, 2002

 

 

                Wer keinen blassen Schimmer hat

 

Man nehme einen Traum

egal welchen / denen

die endgültig wach geworden sind empfehlen  wir jenen

den sie gerade ausgeträumt haben / man wähle

daraus eine Person / einen

der klein beigibt

oder einen der die Front kennt / auf jeden Fall einen

der keinen blassen Schimmer hat

dass es um ihn geht / in seinem Namen

und für seine Taten

knöpfe man sich dann den ganzen Traum vor

verspotte ihn

verhöre ihn

verhackstücke ihn

vermische ihn sorgfältig mit dem eigenen Ungenügen

verziere ihn mit etwas Bedauern

schürze ein wenig Verzweiflung vor

serviere dann je nach Belieben oder Können entsprechend

den Umständen

in Hausschuhen oder Stiefeln

wenn sich die beabsichtigte Wirkung einstellt wiederhole man das Ganze

wenn nicht lasse man etwas Zeit

vergehen

alle werden glauben

du inbegriffen

das ist es

war es

wird es sein

die Taten nämlich wurden lange schon verschlungen

wie die Rechte eines Autors

 

 

                            Januar 2002, Ludwigsburg

 

                Der Schmerz

 

Das Spiel wird jeden Tag interessanter

gestern hab ich mir aus der Gummitapete des Gästezimmers ein Hemd zugeschnitten

durch die Wunde an der einen Wand schau ich in den Bauch der Nacht

meinem Blick bietet sich ein Steintisch dar

auf dem der schwangere Tod den Befund des Arztes erwartet

das wird ein Prachtkerl scheint der zu sagen

während er auf den stumpfen Gegenstand achtet mit dem das Ungeborene ihm

ans runzlige Ohr des Stethoskops zu schlagen

versucht

                            März 2001, Ludwigsburg 

 

 

 

 

***

 Aus dem Rumänischen von Horst Fassel  

 

 aus  JOCURI ERO(T)ICE -(H)ERO(T)ISCHEN SPIELE Ged., Verl. Marineasa, Temeswar, 2001)

            Konkret

 

versuchen kann’s ich, euch zu belügen

mich hinter vorgehaltener hand zu verstecken,

                        mich euch ebenbürtig zu fühlen, was falsch ist,

mich über das heroische potential der buchstraben lustig zu machen, die verliebt sind

in das fremde wort,

mich selbst, der ich im schoß der muttersprache einschlummerte,

      durch den kakao zu ziehen

im schlaf diese chance, noch einmal der zu sein der so war,

      wie er es wollte,

dem meisten den hut abzuziehen oder zu klauen und meinerseits

ungereimtheit auf ungereirntheit zu häufen,

das unfruchtbare antlitz der heide mit einer ernte von

               geistererscheinungen zu bevölkem,

und anschließend im meer der unerlaubten ernteheifer zu versinken,

als ob es nicht ausreicht, daß es gestern schon einmal geschah,

oder vorgestern oder letzte woche und noch weiter zurück

      und zuguterletzt ganz am anfang.

 

ACH JA SIE BEWEGT SICH DOCH

 

über mich selbst zu lachen, über meine arbeit, über die sonne,

die meine haut versengt,

über die muscheln, die meine zehen ritzen, über meinen status

als besitzer aller träume eines ganzen bataillons von eissoldaten,

die jeder vernünftige mensch vor frühjahrsanbruch ausgesät hätte,

ich sollte über ihr eher häusliches als widerborstiges aussehen

                        lachen,

über ihr unvermögen, sich früher einmal andernorts anzubiedern mit dem stolz,

der unterwürfigkeit anderer,

mit den relikten früherer gewohnheiten oder den anzeichen kommender,

werde ich sie über das gesetz stellen,

oder sie gesetzlos werden lassen,

                      werde ich sie daran hindern, gesetze anzuwenden,

oder sie um den finger wickeln,

sie so hinbiegen, wie ich allein es vermag,

damit schließlich du schuld daran bist,

daß alles viel zu familiär klingt, alle konkreten

aussagen, im gegensatz stehen

zu dem mangel an realität.

              Ludwigsburg, Juni 2000

  

            Erholung

 

urplötzlich wachst du wie von allein auf

in der bequemen lage dir eine spezifische situation

eines jeden zwischenaufenthals bewußt zu machen

voll akzeptiert von der Geschichte die dich nicht loslassen will

unterwürfig und schweigsam wie du bist bis zum nächsten ereignis

 

was ist mir denn, was zum teufel

paßt mir da nicht,

gerade jetzt wo ich keinen grund habe vor mir selbst davonzulaufen

je zweimal auf jeder neuen seite

zum preis von ungefähr

zwei kapiteln

             Ravenna, Lido Adriano,

 

 

          Beim Lesen einer Literaturzeitschrift

 

in einem hotel mit jagdgeschichten

stach mich eine mücke in stirn und knöchel

daß der Stich vom gleichen stachen ausging steht fest

er hat seine kraft zunächst an der scheuernden haut des

                     rehs des hasen der wildsau oder des fasans erprobt

ist dann wie durch ein wunder dem bleihagel des jägers

                     entkommen

wäre es nicht so wie ist es möglich daß alle ärgernisse der welt mich anrühren

während ich mich über das nachtkästehen beuge

ammeerindenbergenimurlaubaufdienstreiseoder

auf der durchfahrt

 

            Istvan, Mosonmagiaróvár, August 2000

 

           Kurzschluß

 

 

die schaluppe der grenzwächter paßt

ein gumiboot überfüllt mit pohtisch-ökonomischen ruderern

                     nimmt sie ins schlepptau

von oben richten sich mehr als ein dutzend augenpaare und mps

                     auf sie auch eine kamera

mit der die schmugler die szene ungekürzt aufnehmen

im schneckentempo

 

 

             Ravenna, Lido Adriano, Juni 2,ooo

 

 

 

            Wie ein anderer...

 

 

er kann weder sprechen

noch schweigen[1]

er kommt und läßt seine gefühle mitten unter uns einfach stehen[2]

 

schließlich und endlich

das bleibt von der frage die ohne ihn weder kraft noch saft hätte

und sieh mal

gar nicht zögert ihn sitzen zu lassen

gerade jetzt während das gekochte auge des ziegenbocks zischt wie ein ganter

über dem topf mit gernüse und kräutem

die man fünf mal aufkochen ließ

noch haben keine gerüchte ausgeschwitzt

mehr oder minder

voraussehbare

          Weidental, August 2000

 



[1] wenn nämlich ein anderer einen gedanken äußerst, der ihm selbst vielleicht irgendwann gehört hat

 

[2] die alle mit meinen identisch sind wie ich bemerke

     ich höre Vasilis zu wie er griechisch

     türkisch ungarisch serbisch deutsch und rumänisch singt

     das ist doch was

     anzuhören wie ein und dasselbe in anderen sprachen klingt

     wahnsinnig muß man sein wenn man nicht zugibt

     wie das einem zusetzt

 

  

   aus  PUTERE ABSOLUTA (ABSOLUTE GEWALT) - Ged., Verl. Marineasa, Temeswar, 1999

 

PROTESTNOTE

 

er verliest die Protestnote

weiß nicht warum aber man läßt es zu

 

sie liest die Protestnote (die gleiche?)

weiß nicht wie aber man läßt es zu

 

er will sie unterzeichnen

weiß nicht warum aber man verbietet es ihm

 

sie will ebenfalls

zu spät sagt man ihr

sie gehört

bloß zu den

Lebenden

     Cannes, Juni 1998

 

 

    ALLES OK

 

alles OK hieß es als er ihn unversehrt und unbehelligt sah

er hätte ihn umarmen mögen

allein es gab ein weiteres Problem

die ausgeliehene Fahrradkette mit der das Treppenhaus

            abgeriegelt werden sollte war dazu nicht imstande

ebenso scheiterten alle Versuche den toten Nachbarn daran zu hindern

in die Stadt zu gehen und Brot

Kerzen und Streichhölzer

zu suchen

     Cannes, Juni 1998

 

 

    WIR SIND FREI

 

das geschah am Tag nachdem Ion Monoran die Wodkaflasche von

Nichita Stanescu nahm um sie Bacovia auf dem Bellu-Friedhof zu

bringen

Rolf Bossert ließ sich gerade am Blitzableiter des Schriftstellerhauses herab Virgil Mazilescu biß ein Stückchen

Gedicht vom Tragebeutel

mit Gemüse ab  Matei Visniec verteilte Märchen mit Blinden Florin

Iaru erlernte ein Lied zum Überqueren der Straße

Was würden wir rumänischsprachige Schriftsteller ohne die

deutschsprachigen anfangen

                                    fragte sich Mariana

Marin

Eugen Jebeleanu traf eben mit

seinen beiden altbekannten Zicken ein und jeder wußte daß es

                                                an der Zeit war

Eugen Suciu einen Besuch abzustatten

es regnete bitterlich und

wir zwei Narren streckten uns unter dem Tropfenfall auf dem

Siegesboulevard aus

wir sind frei

            wir sind frei

                        wir sind frei tönten wir - jaja

            ihr seid schon frei, schien jetzt

das blinzelnde Auge der Ampel zu sagen

die in die Reserve

zurückgezogen wurde

aber ein beneidenswertes Gedächtnis

besaß

     nach 15 Jahren, Cannes, Juni 1998

 

 

    KOMM TRAM

 

die gelbe Tram ein Dotter hält

in der Haltestelle wo du gestern

den Tag um die Ohren schlugst

still öffnen sich die Türen du wirst

festgehalten von den Blicken der Schaffnerin und wirst

von einem Wal verschluckt

 

der Schrecken

aus Dunkelheit den sie

mit ihren Karieszähnen kaut

wird dich von nun an

niemals

verlassen

      Cannes, Mai 1998

aus SAPTAMANA 53 (DIE 53. WOCHE) Ged., Verl. Marineasa, Temeswar, 1998

 

    MORGENDLICHES

 

aus dem Meer fließen hinab die Sonnenstufen

aufs trockene Land, ausgedörrt

von Bemühungen

Ameisen

steigen treppauf und treppab

und öffnen der Ferne die Augen

             Temeschburg, 1973

 

     STILLEBEN

 

 Niemand leuchtet hinaus aus

der im Dunkel geparkten Tram

schlaftrunken gähne ich nicht

um auf keinen Fall das Gleichgewicht

zu stören

             Temeschburg, 1974

 

 ***

 Aus dem Rumänischen von Georg Scherg

 

aus SAPTAMANA 53 (DIE 53. WOCHE) Ged., Verl. Marineasa, Temeswar, 1998

 

    BAHNHOF

Geschaukel von Stoßfedern

verrät Berührungen

in der Glocke

gebiert sich

die Stunde der Wasser

von Salz

und Felsgestein 

                Temeswar, 1973

 

    SPAZIERGANG

 

überall habe ich dich gesucht

mit jedem Schritt zwischen den Blumen

die Wege gemordet 

                Bukarest, 1971

 

    EINSAM**

 

ach wo ist der Schnee

in dem ich einst die Augen mir wusch (Tropfen

von Nebel

überm Kleid aus Wassern) 

                Temeswar, 1973

 

    WIE DIE TRAUBEN REIFEN

  

Dies Tal voll Wein die Trauben

haben kein Blut mehr

die Kelter verleitet die Hände

die Stimmen die Blicke

wer wird fähig sein

diesen letzten Ertrag zu werten

wer

wenn der Drehbuchverfasser nicht

der sich mit seinem schwarzen

Humor übernimmt

dem Fluß gleich der ohne Wasser

fortfährt allerlei Steinbrocken

zu wälzen

unaufhörlich um

seine Furt zu verbreitern

 

ihm Einhalt zu gebieten

stünde gewiß in unseren

vereinten Kräften (welche Macht gäbe das

Tal voll Wein)

freilich aber haben die Trauben

kein Blut mehr

und die Kelter verleitet die Hände

die Stimmen die Blicke

ach

wenns mit der Lese nur bälder

zu Ende ginge

                 Temeswar, 1989

 

 ***

   Aus dem Rumänischen von Dieter Schlesak

aus JOCURI ERO(T)ICE -(H)ERO(T)ISCHEN SPIELE Ged., Verl. Marineasa, Temeswar, 2001

 

 

            (MEIN) TROJANISCHES PFERD

 

jede liebeserklärung enthält einen virus

jeder virus enthält eine andere facette der wirklichkeit

die darauf beharrt salz auf die wunde des rechten zeigefingers

zu streuen

die heutige wirklichkeit ist identisch mit der von gestern

nur steht sie etwas näher

jener wirklichkeit der niemand entgeht

ein virus ists ach ein virus so steht geschrieben auf ihrem

halbblinden bild/ und alle

schieben die schuld auf den verfall der sprache

das politische chaos bei den nachbarn/ kann

uns was immer sagen

und es sagt es so schön daß wir ihm wirklich glauben

 

meine heutige realität ist dein hungriges pferd

wenn es zur plünderung einbricht in meine poeme

jener akt der mich verurteilt nicht wissend daß du mein schicksal teilst

 

die wunde des rechten zeigefingers

wird sich nie schließen

das fühle ich und werde auch nicht versuchen

zu verhindern daß der nagel des linken zeigefingers

immer wieder neu die wunde aufreißt

 

    Ludwigsburg, Oktober 2000

(Aus rumänischen von Dieter Schlesak)

 

 

 

 

 

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Stand: 2006-05-29 22:26:34 +0200